Projektmanagement & Führungsinformation

Industrie 4.0 und Big Data als Chance

Was ist Industrie 4.0 und Big Data? Alte Weisheiten auf neuen Folien?
Eine kurze Skizze, wie Sie aktuelle Trends für Ihr Unternehmen nutzbar machen.

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Industrie 4.0 ist mehr als nur allgegenwärtige Digitalisierung und Steuerung von Maschinen mit dem Smartphone. Auch Big Data geht über die blosse Einführung von neuen Werkzeugen wie Hadoops oder noSQLs zum Verwalten von grossen Datenmengen hinaus. Der Mehrwert der beiden Konzepte entsteht erst durch die intelligente Kombination und deren Integration in die kontinuierliche Weiterentwicklung des eigenen Geschäftsmodells. In einigen Fällen ermöglicht I4.0 auch disruptive Innovationen. Big Data dient dabei als Enabler oder gar als inspirierender Funke zur Neudefinition des Unternehmens.

WAS IST WIRKLICH NEU AN INDUSTRIE 4.0

Im Unternehmen 4.0 werden Maschinen, Produkte und Personen in Fabrik, bei Lieferant und Kunden zu digital erfassbaren Objekten. Mit Hilfe von standardisierten Schnittstellen werden sie hersteller- und kundenübergreifend vernetzt (Internet of Things). So werden sie dezentral identifizierbar, in Echtzeit mess- und steuerbar oder gar

Merkmale Industrie 4.0
selbst zum steuernden Akteur im Gesamtprozess (Cyber Physical Systems). Das Unternehmen 4.0 identifiziert und nutzt die daraus entstehenden Effizienzgewinne bei der Prozessgestaltung. Vernetzte Maschinen interagieren quasi weltweit, Produkte erhalten eine eigene Identität und wissen selbst, wie sie produziert werden wollen. Die übergreifende Verknüpfung der Prozesse und Akteure ermöglicht zudem die Entwicklung von besseren, schnelleren oder gar neuen Dienstleistungs- und Produktbündeln für bestehende und neue Kunden. I4.0 ist also nicht eine neue Erfindung, sondern ein ‚smarte‘ Kombination von bereits verfügbaren Technologien.

BIG DATA ALS ENABLER UND FUNKE

Auch Big Data ist nicht neu oder einfach gleichzusetzen mit grossen Datenmengen. Alle Unternehmen haben heute eine Fülle von Informationen zu bändigen. Sie nutzen dafür ERP, Datawarehouse und BI-Abteilungen. Neu an Big Data sind andere Merkmale: Die steigende Verfügbarkeit und Nutzung von Echtzeitdaten (Sensordaten), der Einbezug von polystrukturierten Datenquellen (z.B. Webseiten, Kundenbewegungen, Gesundheitsdaten) und die heutigen Möglichkeiten der weltweiten firmeninternen und externen Vernetzung in der Analyse, Prozess- und

Merkmale Big Data
Produktgestaltung. Die Datenelemente werden nun über den gesamten Produkt- und Kundenlebenszyklus zu neuen wertigen Informationen verknüpft (horizontale Integration). Dies ermöglicht Echtzeit- oder gar Selbststeuerung, die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen. Analysen via Data Mining bis hinunter zum Shop Floor verhelfen dem Controller zu neuen Erklärungs-, Planungs- und Steuerungsmodellen (vertikale Integration). Big Data bedeutet aber auch exponentiell steigende Datenvolumen, Komplexität und Dynamik der Einflussfaktoren. Datenmaterial von unterschiedlicher Qualität muss akzeptiert und interpretiert werden. Das Unternehmen 4.0 braucht neue Fähigkeiten bezüglich Datenhandling, -verdichtung und –analyse (Datenmodelle, Data Mining, Simulation).

VOM HERSTELLER ZUM DIENSTLEISTER

Viele Industrien sind sich gewohnt, Maschinen und Prozesse zu überwachen, über ERP zu steuern, grosse Datenmengen zu analysieren und mit Lieferanten und Kunden zu teilen. Die Nutzung der Ideen von I4.0 und Big Data eröffnen jedoch neue Dimensionen. Die Supply Chain erhält durch die dezentrale Identifikation einzelner Produkte nochmals einen Schub an Automatisierung und Steuerungsfähigkeiten (Smart Logistics). Durch die Vernetzung von smarten Akteuren werden Dezentralisierung und Personalisierung in der Produktion bis zum Extrem (Losgrössen1) realisierbar. Dies bedeutet mehr Geschwindigkeit und Nähe zum Kunden. Maschinen und Materialien mit eigener Intelligenz ermöglichen nicht nur Selbstoptimierung (Überwachung in Echtzeit, präventiver Unterhalt), sondern gar selbststeuernde Herstellung (Cyber-physische Systeme).

Konsequenzen von Industrie 4.0 und Big Data

Die Analyse der digitalisierten Kommunikation zwischen Menschen, Maschinen und Produkten liefert prozess- und kundenübergreifende Erfahrungskurven. Hersteller überwachen und optimieren damit in Echtzeit Maschinen oder Produkte bei ihren Kunden (Beispiele Hersteller Flugzeugtriebwerke, medizinische Geräte). Der Kunde kauft keine Maschinen mehr, sondern eine Dienstleistung mit Mehrwert.

BEISPIEL Fahrzeughersteller als Versicherer

Im Prinzip sind Versicherer als Sammler von Unfallstatistiken seit Urzeiten Nutzer von Big Data. Darauf basiert der Grossteil ihrer Existenz (Produktentwicklung, Preisgestaltung, Kundenselektion). I4.0 und Big Data bieten nun selbst das Potential, diese Branche grundlegend zu verändern. Moderne Autos als fahrbare Auskunftsstellen dienen in naher Zukunft wohl als digitales Unfallprotokoll. Die Fahrzeuge sind in der Lage, Unmengen von Daten über Unfallhergang und auch Ursache (Fahrverhalten, Umgebung etc.) zu registrieren und mit dem in der EU ab 2018 obligatorisch eingebauten Meldesystem (eCall) zu übermitteln. Damit können Autohersteller oder -importeure selbst mittels Big Data Analysen kundennähere, nutzungsabhängige, risikogerechtere, in Echtzeit gepreiste Versicherungsprodukte anbieten, respektive als Dienstleistung in ihr Produkt integrieren. Oder sie verkaufen die gesammelten Informationen an den Meistbietenden.

DER NUTZEN VON INDUSTRIE 4.0

Was bringt nun I4.0 dem Unternehmen und dem Kunden? Neben einfachen Kostenreduktionen sind viele weitere Effekte denkbar, jedoch nur bei intelligenter Umsetzung auch realisierbar.

  • Performance (Geschwindigkeit, Selbststeuerung, Dezentralisierung): I4.0 beschleunigt für das Unternehmen die Supply Chain. Intelligente Maschinen, Produkte oder Kleinteilebehälter ermöglichen dezentrale Produktionssteuerung oder Lagerbewirtschaftung in Echtzeit.
  • Qualität/Sicherheit (Präventiver Unterhalt, Selbstoptimierung): Maschinenübergreifende Informationen lassen präventiven Unterhalt bis zur Selbstoptimierung der gesamten Supply Chain zu.
  • Innovation (Neue Produkte, Dienstleistungsbündel): Sensordaten liefern dem Hersteller von Maschinen automatisiert und kundenübergreifend Input für Nachfrageprognosen, Produktentwicklung oder Verkaufspotentiale.
  • Wachstum (Kundennähe dank Individualisierung, horizontale Integration): Intelligente Produkte machen kleine selbstgesteuerte Losgrössen wirtschaftlich. Horizontale Integration und Automatisierung eröffnen multilokale Wachstumschancen.
  • Change (Flexibilität, Massenkonfektionierung): Dem personalisierten Marketing und Vertrieb folgt die personalisierte Massenkonfektionierung.

Der Kunde konfiguriert sich auf seinem Smartphone das Produkt, das smarte Produkt produziert sich in der gerade verfügbaren oder nächstgelegenen smarten Fabrik und lässt sich selbst zum Kunden spedieren. I4.0 im Resultat bedeutet für alle Branchen zunehmende Geschwindigkeit, Individualisierung, Dezentralisierung, Selbststeuerung und Bündelung von Dienstleistungen. Big Data ist dabei nicht ein Nebenprodukt der digitalisierten Fabrik, sondern deren Treibstoff für kontinuierliche Optimierung und Innovation.

DREI SCHRITTE ZUR UMSETZUNG VON INDUSTRIE 4.0

I4.0 und Big Data werden oft mit viel Aufwand und hohem Kapitaleinsatz gleichgesetzt. Die grossen Konzepte sind schwierig zu fassen. Die folgenden drei Schritte sollen helfen, die Ideen für das Unternehmen zu konkretisieren und in praktische Lösungen umzusetzen.

1. Entwicklung des Geschäftsmodells 4.0:

Der erste Schritt zur I4.0 führt über die Weiterentwicklung des eigenen Geschäftsmodells. Es gilt abzuschätzen, wie die Digitalisierung und Vernetzung zum Nutzen des Unternehmens und des Kunden eingesetzt werden kann. Je nach Unternehmung ist ein anderer Digitalisierungs- und Automatisierungsgrad sinnvoll. Es ist individuell abzuschätzen, welcher Nutzen der zusätzlichen Komplexität gegenübersteht. Auch die Entwicklungen bei der Konkurrenz oder bei branchenfremden Eindringlingen sind in die Betrachtungen miteinzubeziehen.

Fragen zur Entwicklung des Geschäftsmodells 4.0:
  • Wie können die Veränderungen aus I4.0 und Big Data (Geschwindigkeit, Individualisierung, Dezentralisierung, Selbststeuerung, Bündelung von Dienstleistungen) zum Vorteil des Unternehmens und der Kunden genutzt werden?
  • Wo kann digitale Vernetzung (Maschinen, Produkte, Personen) der Produkte, Dienstleistungen oder Prozesse im gesamten Zyklus des Kunden- und Produktelebens die Performance verändern?
  • Kann durch verstärkte Kundenausrichtung (Massenkonfektionierung, Dienstleistungsbündel) zusätzliches Wachstum generiert werden?
  • Wo ermöglichen I4.0 und Big Data disruptive Innovation (Entwicklung neuer Angebote, datenbasierte Dienstleistungen)

2. Entwicklung von Big Data Fähigkeiten:

Die digitale Vernetzung und Automatisierung der internen Fabrik und der externen Umwelt wird erst durch die geschickte vertikale Integration der Daten mit den Steuerungssystemen (MES, ERP, BI) nutzbar. Parallel dazu ist ein kontinuierlicher Aufbau von unternehmensweitem Know-how im Umgang mit herkömmlichem und analytischem Datenmanagement unabdingbar. Der entscheidende Faktor zum Erfolg des Unternehmens wird die Fähigkeit sein, die entstehenden Datenwelten zu erfassen, schnell zu analysieren, zu interpretieren und steuernd einzusetzen. Hier wird sich in Zukunft die Spreu vom Weizen trennen.

Fragen zur Entwicklung von Big Data Fähigkeiten:
  • Welche Daten sollen vertikal (Shop-Floor, ERP, MIS) und horizontal (Supply Chain, Kunden) wo erfasst, wie integriert und wozu genutzt werden?
  • Welche Fähigkeiten (Personen / Systeme) zur Datenanalyse braucht es (Data Mining, Datenmodelle)?
  • Wie können unternehmensinterne und -externe Daten nutzenstiftend kombiniert werden?
  • Welche Schnittstellen brauchen welchen Standard?
  • Wie wird weltweite Datensicherheit gewährleistet?

3. THINK BIG. START SMALL. ACT NOW.

Industrie 4.0 und Big Data sind nicht nur Wege zur Kostenreduktion oder zur Optimierung der Logistik. Die denkbaren Möglichkeiten zur Entwicklung neuer Prozesse und Produkte sind praktisch unendlich. Jeder Digitalisierungsschritt bedeutet jedoch auch zusätzliche Investitionen und Komplexität. Diese wird man nur akzeptieren, wenn ein reeller Nutzen für Unternehmen und Kunden erkennbar ist. Es ist deshalb sinnvoll, die ‚4.0 Revolution‘ als Gesamtkonzept zu denken, diese jedoch als inkrementelle Weiterentwicklung des Geschäftsmodells zu realisieren. Es gilt, mit intelligent gewählten Use Cases und unter Berücksichtigung der neuen Möglichkeiten der digitalen Vernetzung dem Kunden näher zu kommen. Damit werden neben Investitionsschutz für Bestehendes auch Stabilität im Unternehmen und eine handhabbare Lernkurve bezüglich Datenmanagement sichergestellt. Der Erfolgsfaktor in Hochleistungsunternehmen der Zukunft wird nicht die Einführung von omnipräsenter Sensortechnik und Vernetzung sein, sondern die smarte Kombination und Umsetzung der Konzepte von Industrie 4.0 und Big Data in kundennahe Lösungen.

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Kuno Imfeld ist selbständiger Berater und Interimmanager bei BK Imfeld, Winterthur. Er ist spezialisiert auf Führungsinformation und Projektmanagement (Organisation, Systeme, Prozesse). Zudem ist er Partner im Beratungsunternehmen SeestattExperts.
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BK Imfeld unterstützt seit 10 Jahren Unternehmen in Projektmanagement und der Optimierung von Führungsinformationen. www.executiveinfo.ch
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SeestattExperts ist ein führendes Schweizer Consulting Unternehmen mit dem Fokus auf Innovation, Wachstum, Change und Performance. www.seestattexperts.ch
Literatur / Links
  • Thomas Baurnhansl. 2014. Industrie 4.0 in Produktion, Automatisierung und Logistik. Springer Vieweg
  • Joachim Dorschel. 2015. Praxishandbuch Big Data. Springer Gabler.
  • www.industrie2025.ch
Ein Nachwort zum Thema Datenschutz (‚Data Privacy‘)
Bei nebenstehender Auslegeordnung zu Industrie 4.0 und Big Data haben wir bewusst auf den Einbezug des Themas Datenschutz verzichtet. Dieses Thema als solches verdient bereits einen eigenständigen Artikel. Aus unserer Sicht ist ‚Data Privacy‘ in der heutigen digitalen Welt völlig unterentwickelt und bedarf nicht nur einer gesetzlichen Neuregelung, sondern einer Neuformulierung des Gesellschaftsvertrages (s. dazu den NZZ-Artikel Bequemlichkeit und Todesangst von Manfred Schneider )
 
Dieser Artikel wurde im Juli 2016 publiziert

Schaubild Industrie 4.0

Schaubild I40 und Big Data

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